Magica meets Nordisch Nobel - Deutsche Meisterschaft der Zauberkunst 2024

Zu diesem besonderen Club durfte ich mich zählen - und zwar vor ziemlich genau einem Monat bei den Deutschen Meisterschaften der Zauberkunst. An drei Tagen traten dort Zauberkünstlerinnen und Zauberkünstler in verschiedenen Sparten an, um bei der Jury möglichst viele Punkte abzustauben, aber auch um ihre Ideen und ihre Kunst einer breiten Masse zu präsentieren. Dass diese Masse fast ausschließlich auch Zauber:innen besteht, stellte die Teilnehmenden aber auch vor besondere Herausforderungen.
 
 Alle drei Jahre findet die Magica, die Deutschen Meisterschaften der Zauberkunst statt. Eine Fachjury beurteilt die Teilnehmenden in Closeup- und Bühnenwettbewerben nach Kriterien wie Tricktechnik, Präsentation und Innovation. Je nach Sparte werden diese unterschiedlich stark bewertet - in Manipulation ist die Technik wichtiger, in Comedy wiegt die Präsentation deutlich stärker.
 
Insgesamt gibt es 8 Sparten - Salonmagie, Kartenkunst und Mikromagie im Closeup-Wettbewerb und Allgemeine Magie, Mentalmagie, Comedy, Zauberkunst für Kinder und Großillusion im Bühnenwettbewerb. Jede Performance hat 10 Minuten Zeit; wer überzieht wird disqualifiziert.
 Ich konnte tatsächlich fast alle Wettbewerbsdarstellungen sehen und teilweise sogar Vergleiche ziehen zu den Vorentscheidungen im vergangenen Jahr. Die (subjektive) Qualität war dabei recht unterschiedlich, zu großen Teilen aber echt gut! Vor Allem möchte ich Euch von meinen persönlichen Highlights berichten.

 

Die Wettbewerbe

 

Etwa den Wettbewerbsnummern von Mellow. Er trat zum einen in der Sparte Allgemeine Magie mit seinem Money Magic-Act an sowie in der Sparte Salonmagie mit einer noch recht neuen Nummer rund um Magie, Musik und die Verbindung zwischen zwei Menschen. Man kann sich denken, dass ich beide Acts schon mehr als einmal vorher gesehen habe. Aber mehr noch – ich durfte sie sogar mit entwickeln und bis kurz vor der Meisterschaft verfeinern und die Proben begleiten. Und genau das hat die Auftritte so besonders gemacht: Einen kleinen Teil eigenen Hirnschmalz auf der Meisterschaftsbühne zu sehen, Reaktionen zu sehen (und mitzuhören :D) und nicht zuletzt zu erleben, wie die Jury die Nummern bewertet. Auch wenn die Kunststücke viel Arbeit sind, ist das immer wieder ein spannendes Erlebnis – und erfreulicherweise sind alle bisherigen Wettbewerbsnummern von Mellow in der ein oder anderen Form auch Teil seiner Tourshows gewesen. Deshalb hat sich die Arbeit immer doppelt gelohnt – in diesem Fall im wahrsten Sinne, denn es gab einen 2. und einen 3. Platz!

 

Markus Billner trat ebenfalls in der Sparte Mikromagie an. Ihn kannte ich vorher (leider!) noch nicht. Zugegebenermaßen erwartete ich auch zunächst nichts Besonderes, als ich sah, dass es offenbar ein weiteres Mal um Münzen ging. Da hatte ich mich jedoch getäuscht: Denn er präsentierte eine unterhaltsame Geschichte eines Kunden, der in einem verlassenen Laden die geheimen, magischen Eigenschaften des Interieurs für sich entdeckt. Insbesondere Münzen, die verschwinden und erscheinen, wandern und ihre Beschaffenheit ändern bereiten ihm Kopfzerbrechen. Was auch hier nach einer gewöhnlichen Münzroutine klingt, war aber tatsächlich ein kurzweiliges, unterhaltsam anzuschauendes Schauspiel eines Künstlers mit großartiger Fingerfertigkeit. Völlig zurecht ein 1. Platz in der Sparte Mikromagie!

 

Manipulation, also das Handhaben von Gegenständen zu magischen Effekten, ist eine Sparte, mit der ich mich oft recht schwertue. Auch wenn ich nicht immer alle Griffe durchschaue, fällt es mir manchmal schwer, besonders mehrfach hintereinander Manipulationsnummern anzuschauen. Eine absolute Ausnahme bei diesem Wettbewerb war für mich aber das Duo „Janus“. Der eine groß, der andere etwas kleiner und schmaler, bildeten sie irgendwie ein ungleiches Paar. Aber: Statt nebeneinander synchrone Manipulation durchzuführen (was bereits beeindruckend gewesen wäre), bildeten sie vielmehr eine Art Einheit. Auch sie ließen Karten erscheinen, verschwinden und sich verwandeln, erschufen durch ihre Positionen, hintereinanderstehend oder einander zugewandt, aber besondere Bilder, die nicht nur Synchronität, sondern auch Timing und Ausdruck einen magischen Eindruck machten. Zudem, und das habe ich bereits bei den Vorentscheiden bewundert, haben sie meiner Ansicht nach etwas geschafft, das praktisch kein Zauberkünstler heute noch schafft: Nämlich etwas ganz Neues erfunden. Zu zweit manipulieren heißt für die beiden nämlich nicht nur, gemeinsam auf der Bühne zu stehen und miteinander bilden zu malen, sondern auch mit zwei Händen eine Karte verschwinden und erscheinen zu lassen – und das mit Präzision und Schnelligkeit, die manche nicht einmal in der klassischen Manipulation erreichen. Dass sie damit „nur“ einen 3. Platz in der Sparte Manipulation machten ist mir persönlich nicht verständlich. Dennoch freue ich mich natürlich für die beiden über den Erfolg.

 

Ein Künstler, dessen Act ich ebenfalls seit längerem in seiner Entwicklung verfolgen durfte trag in der Sparte Mikromagie an: Toby Rudolph mit seinem „Cards against Magicians“. Eine humorvolle Adaption des Kartenspiels „Cards against Humanity“, das laut eigener Beschreibung „merkwürdige Persönlichkeiten und unbeholfenem Sozialverhalten in stundenlangen Spaß verwandelt“. So ähnlich war es auch bei Tobys Nummer – nur dass die vorschriftsmäßig gerade so noch 10 Minuten dauerte. Eine recht einfache Kartenroutine war die Grundlage. Das Ungewöhnliche entstand durch die Spielkarten, welche zwei Bühnengäste in die Hand bekamen. Denn auf ihnen standen Sprüche, die Zuschauerinnen und Zuschauer für gewöhnlich zum Zauberer sagen. Eine riesigen Stapel voller „Kannst Du auch meine Frau verschwinden lassen?“ „Den Trick kenne ich schon“ und „Darf ich auch mal mischen?“, und mit einigen von ihnen machten sie Toby das Zaubern schwer – aber halt lustig! Auch Toby erreichte einen 1. Platz in der Sparte Mikromagie und wird, wie ich hörte, die Nummer noch weiterentwickeln. Ich freue mich also sehr darauf, sie noch öfter sehen zu dürfen

 

Einer der Künstler, die von den Jugendmeisterschaften der Zauberkunst zum „großen“ Wettbewerb übergesiedelt war, war Magic Maxl. Auch kein Unbekannter für mich, ist er doch auch zeitweise Teil der Produktionsfirma Black Neon Entertainment, mit der auch ich beruflich zu tun habe. Auf der Bühne habe ich ihn jedoch noch nicht oft erlebt. Die Nummer, mit der er in der Sparte Salonmagie angetreten ist, zeigt einen vermeintlich typischen Morgen als Zauberer – und Schüler. Eine praktische, sich quasi selbst packende Schultasche, magische Lösungen für das richtige Lunchpaket und nicht zuletzt das Phänomen eines Frühstücks-Eies mit scheinbar eigenem Willen machen diese Darbietung zu einer Besonderheit in Ideen, Thematik und Unterhaltung. Sie erreichte den 2. Platz in der Sparte Salonmagie, hätte meiner Ansicht nach aber einen ersten Platz verdient.
 Toppen konnte dies meiner Meinung nach nur Maxl Act in der Sparte Comedy. Eigens für den Wettbewerb entwickelt, erhielt die Nummer nicht nur Bezüge auf seine andere Wettbewerbsnummer und die Zauberer-Community, sondern bot auch reichlich Platz für den schrägen Humor des Nachwuchszauberers, Wortspiele und lustige Zaubereffekte, sondern auch einen explosiven Auftritt von Maxls Stagehand (alias sein Vater). Nicht zuletzt steckte in der detailverliebten Routine auch Platz für echtes Staunen, was die Nummer rundum gelungen machte – und Magic Maxl damit völlig verdient den 1. Platz in der Sparte Comedy einbrachte.

 

Besonders gespannt war ich auf eine Darbietung, die ich in mehreren Versionen bereits bei Kurzauftritten bewundern durfte. Lucas Kaminski hat sich als Objekt seiner Nummer etwas ausgesucht, das fragiler und unbeherrschbarer kaum sein könnte: Nämlich Seifenblasen. Wenn man es schafft, sie aufzupusten, sinken sie meist genauso schnell zu Boden und zerplatzen, oder werden vom Wind davongetragen. Lucas jedoch erschafft in seinem Act eine magische Atmosphäre die es ihm erlaubt, seine Seifenblasen nicht nur lange am Leben zu halten; er haucht ihnen im wahrsten Sinne Leben sein, lernt sie kontrollieren, tanzt mit ihnen und findet schließlich einen Weg, sie scheinbar für immer um sich zu haben. Bei Lucas‘ Act gerät die Frage nach Technik und Methode völlig in den Hintergrund. Es ist einfach wunderschön anzuschauen, welche Verbindung er zu seinen Seifenblasen aufbaut, die ihm erlaubt, ihre Magie auf außergewöhnliche Weise sichtbar zu machen. Ich bin persönlich sehr begeistert, welche Entwicklung diese Nummer in den letzten Monaten und Wochen vor der Meisterschaft noch gemacht hat und freue mich sehr, dass sie einen 1. Platz in der Sparte Allgemeine Magie belegt hat.

 

In dieser Sparte gab es aber noch einen weiteren 1. Platz. Diese Entscheidung hat mich bei der Preisverleihung besonders gerührt, denn auch diese Darbietung durfte ich bereits bei den Vorentscheidungen bewundern, mich mit dem Künstler darüber austauschen und mich begeistern lassen von der Magie, die in ihr steckt.
 Max Muto betritt bei seinem Act die Bühne und beginnt die Geschichte zu erzählen von einem Zauberkünstler vergangener Zeit, der nach einer alten Legende einen Bonsaibaum züchten wollte, um sich aus dessen Holz einen Zauberstab zu machen. Statt des Baumes aber wuchs eine hölzerne Hand. Nach und nach entdeckte der Zauberer deren magische Eigenschaften, ihre Selbstständigkeit und ihr Können. Viele Jahre ging er mit ihr auf Wanderschaft, präsentierte sie seinem Publikum; sie begeisterte über die Zeit im Besitz vieler anderer unzählige Menschen, bis sie eines Tages verschwand. Nun, zuletzt, fand sie den Weg in den Besitz von Max Muto selbst, der ihr Potential vor den Augen des Publikums auslotete. Dabei stieß er auf ein Geheimnis, dass die magische Hand offenbar verwundbar machte, sodass sie bei einem letzten, beeindruckenden Kunststück in ihre Urform zurückfand.
 Ich bin bis heute, als jemand, der anfällig für Geschichten ist, tief ergriffen von der Magie und Poesie, die in dieser Darbietung steckt und freue mich sehr darüber, dass sie nicht nur minutenlange Standing Ovations erhielt, sondern Max mit ihr auch die punkthöchste Darbietung und damit den Gesamtsieg des Wettbewerbs erhielt.

 

Die Bewertungen

 

Einige Worte könnte ich noch verlieren zum Thema eigener Eindruck vs. Publikumseindruck vs. Jurybewertung: Die Bewertung der Jury ist immer und war auch bei diesen Meisterschaften sogar relativ oft sehr ungleich zu der Meinung der Zuschauenden. Es gab einige Entscheidungen, die ich persönlich nicht nachvollziehen konnte und die, wie ich im Anschluss an die Preisverleihung in Gesprächen mit Anderen erfuhr, auch für die meisten nicht nachvollziehbar waren. So etwas ist immer schade und kann für die Wettbewerbsteilnehmenden sicherlich eine starke Motivationsbremse sein. Ich hoffe aber, dass alle die, welche dieses Problem betrifft, von Kolleginnen und Kollegen soviel positives Feedback bekommen haben, dass sie nicht aufgeben, ihre Ideen und Acts weiterzuverfolgen. Denn egal in welchem Rahmen – sehr viele davon haben großes Potential, auch vor Laienpublikum viel Anklang zu finden. Und das ist zumindest meiner Ansicht nach der größere Erfolg.

 

Die Shows 

 

Neben den Wettbewerben gab es auf dem Kongress ein buntes Seminar- und Showangebot. Letzteres habe ich ebenfalls ausgenutzt.
 Am Donnerstag beispielsweise präsentierte der Chilene Gabriel Gascón seine One-Man-Show. Die Art nicht einmal seiner Kunststücke (etwa eine Kartenvorhersage), sondern die Art der Präsentation war ohne Zweifel herausstechend, mir aber sehr fremd. Nicht nur die Sprachbarriere machte es schwer, ihm zu folgen. Auch bauten die Nummern auf einer langen Präsentation mit einem kurzen Endeffekt auf, was sie für mich zwischenzeitlich sehr langatmig machte. Einen großen Teil der Show machte die Interaktion mit dem Publikum aus, welche wie seine gesamte Art sehr locker und entspannt erfolgte, dadurch aber auch zu dem ein oder anderen Missverständnis führte. Für jemanden wie mich, der eher strukturierte Shows und detailreiche Kunststücke kennt, war Gascóns Soloshow nicht das richtige, wenn sie auch zweifellos besonders war.
 
 Am Freitagabend feierte das Magier-Ensemble „Die fertigen Finger“ ihr (wie ich erfuhr wiederholtes) Comeback. Ich habe die „Finger“ bis dahin noch nicht live erlebt, daher habe ich mich über diese Gelegenheit sehr gefreut. Erste Ausläufer der Komik, die hinter dem Ensemble steckt, waren bereits in der Eröffnungsshow am Mittwoch zu erleben – Hinweise auf die chaotische Anreise der Mitglieder – und machten einen ersten Eindruck auf das, was bei der Abendshow zu erwarten war. Nämlich zauberisch wenig verblüffendes, in der ganzen Atmosphäre aber zutiefst unterhaltsam, vor Allem für Mitwissende der Zauberszene. Ein so großes, eingespieltes Ensemble hat seine Insider, seine Kniffe und Publikumslieblinge, welche die Show die gesamte Spielzeit über komisch anzusehen und entspannt verfolgbar machte. Genau das richtige also als Abschluss des letzten Wettbewerbstags!

 

Die größte Show – und zwar im wahrsten Sinne – war die Große Zaubergala „Meister der Magie“ am Samstagabend. Ungewöhnlicherweise fand sie spät nach der Preisverleihung statt; deshalb war sie mit Beginn 20 Uhr (bereits eine Stunde später als geplant) und einer länge von rund vier Stunden vor Allem eines: Lang. Spektakuläre 20 Künstler waren angekündigt – wobei zwei von ihnen für die Unterhaltung im Pausen-Foyer sorgten. Auch hier möchte ich nur von meinen persönlichen drei 
 Highlights berichten.
 Dies war zum einen jemand, der eigentlich gar kein Zauberer ist. Denn – wie man sagen muss zum Glück – waren auch einige Acts dabei, die keine Magie präsentierten. Einer von ihnen war der Österreicher Gabor Vosteen. Der Komiker und Blockflötist zeigte eine kuriose Varieté-Nummer, die eine willkommene Abwechslung zur Zauberei bot und angenehme Blockflötenmusik mit unterhaltsamer Physical Comedy verband.
 Auch zauberisch möchte ich zwei Künstler besonders hervorheben. Zum einen den aus Dänemark stammenden Zauberkünstler Mortenn Christiansen. Er präsentierte eine kurzweilige Routine (was an diesem langen Abend ausgesprochen schwer war), die eine außergewöhnliche Mischung aus verblüffenden Effekten und humoriger Sympathie aufwies. Ich hatte in dieser Show selten Momente, in denen ich ein ehrlich erstauntes „Wie?“ von mir gab (was sicherlich auch der Müdigkeit geschuldet war) – in seiner Präsentation hatte ich davon gleich mehrere. Daher hoffe ich, in welchem Rahmen auch immer, Christiansen noch einmal in anderem Rahmen begegnen zu dürfen. Lohnen würde es sich in jedem Fall!
 Das wohl auch interne Highlight – denn LEIDER der letzte Künstler des Abends – war Young Min. Der Südkoreaner präsentierte seinen preisgekrönten Sand Act. Eine stumme, poetische Geschichte über Zeit, Verwandlung und Vergänglichkeit in einer Manipulation mit Blüten, einem Ring und glitzerndem Sand. Ich hätte dieser Darbietung mehr Aufmerksamkeit durch eine bessere Position in der Show gewünscht (zum Ende herrschte große Müdigkeit und einige Zuschauenden waren bereits nicht mehr da). Dennoch habe ich persönlich sie sehr genossen, und während die erste Reihe einige der glitzernden Sandkörner mitnahmen, habe ich einen Funken der Poesie mit nach Hause genommen.

 

Zum Abschluss

 

Mein Fazit der diesjährigen Deutschen Meisterschaft ist: Es war eine spannende Erfahrung; ich habe mich sehr gefreut, einen aktuellen Status der Zauberkunst in Deutschland abgebildet zu sehen, von dem viele Teile großes Potential haben; vor Allem zu sehen, welche kreativen Ideen in den Köpfen der Wettbewerbsteilnehmenden entstanden sind und was sogar die Jüngsten bereits zur Vielfalt der Zauberei beitragen.