Buch Nummer 2 in diesem Jahr 2025. Uff. Sehr komplizierte Geschichte, verworren, aber spannend bis zum Ende. Das Grundgerüst ist an sich schon extrem, ist aber offenbar nur die Spitze des Eisbergs. Die Verbindungen, die sich erst zum Ende aufklären, fand ich teilweise sehr erschreckend. Und die Szene auf der letzten Kassette hat mich tief erschreckt.
Für mich, die in der Schulzeit auch mit Mobbing und Ausgrenzung zu tun hatte, und aufgrund von Depressionen das Gefühl von Leere und Resignation durchaus kennt, war es mit jedem Kapitel schwerer zu ertragen, dass jemand so kleinteilig beschreibt, warum sie sich gegen das Weiterleben entschieden hat. Nicht so sehr die schlimmen Dinge, die ihr wiederfahren sind. Auch. Aber viel schwerer wiegt die Erkenntnis letztlich aller Hauptfiguren, dass so etwas hätte verhindert werden können. Wenn jemand mutiger gewesen wäre. Wenn andere ihre Triebe im Griff gehabt hätten. Oder wenn der einzig wirkliche Erwachsene seinen scheiß Job ernst genommen hätte.
Dass sich bei manchen Menschen Erlebnisse und Gefühle so zuspitzen, dass sie keinen anderen Ausweg sehen, passiert täglich. Die Art, wie die Protagonist damit umgeht, ist näher an Fiktion als an der Realität, keine Frage. Aber als jemand, der selbst von solchen Gedanken betroffen war, stelle ich mir die Frage, wie deutlich Zeichen sein müssen, damit in der heutigen Gesellschaft solche Menschen nicht durch's Raster fallen. Schlimme Dinge passieren auf die eine oder andere Weise jedem, das lässt sich nicht vermeiden. Schwer ist es zu verstehen, wie die Gesellschaft, die Politik, die Justiz zum Teil mit solchen Dingen umgeht. Je nachdem, welche Art Mensch man ist, hat man nicht mal immer Einfluss darauf, wie man selbst damit umgeht. Aber Sensibilität zu schaffen für sein Umfeld; für die Art wie Menschen sich verändern; und nicht zuletzt für die eigene psychische Gesundheit - das sollte drin sein. Jedenfalls wünsche ich mir das. Nach dieser Lektüre nochmal umso mehr.
Ich vermute, dass viele Menschen, in denen ein künstlerisches Talent schlummert, als Kinder oder Jugendliche irgendeinen Anker hatten, der sie dazu gebracht hat, dranzubleiben. Oder zumindest hoffe ich das.
Bei mir und dem Schreiben war es eine Deutschlehrerin. Eine eigensinnige Frau, die keinen guten Ruf in unserer Schule hatte; die große Schwierigkeiten hatte, ernstgenommen zu werden, sowohl vom Kollegium als auch von der Schülerschaft.
Als sie entdeckte, dass ich mich für Literatur interessiere, hatten wir auf einmal einen Draht zueinander. Und ich erkannte dabei, dass sie, so fehl am Platz sie hinter dem Lehrerpult war, einen bewundernswerten künstlerischen Intellekt hatte, von dem ich zehren konnte.
Manchmal frage ich mich, ob sie wissen wollen würde, dass es trotz einiger Widrigkeiten ein Teil von mir geblieben ist, das Schreiben. Dass ich, wenn ich auch nicht immer einen freien Kopf dafür habe, einen Kopf voller Ideen und Geschichten, voller Gefühle und Gedanken habe.
Kurz bevor sie überraschend die Schule verließ, hatte ich mir dieses Buch, Mary Shelleys "Frankenstein", von ihr geliehen. Zurückgeben konnte ich es ihr nicht mehr. Aber es steht noch immer in meinem Regal, mehrfach gelesen seither, und wird immer ein wertvolles Erinnerungsstück für mich sein. Etwas, das mich an jemanden erinnert, in dem mehr steckte, als man auf den ersten Blick sah, und der mehr in mir gesehen hat, als ich es selbst konnte.
Es gibt einen Satz, der mich in allem, was mich emotional und kreativ und überhaupt bewegt und berührt, immer wieder begleitet. Ein Bühnenkünstler hat beim rührenden Ende eines Projektes mal zu mir gesagt "Es ist nie wieder wie beim ersten Mal". Und das stimmt für...eigentlich für alles.
Ob ich ein Buch zum ersten Mal lese, einen Menschen das erste Mal treffe, eine Show das erste Mal sehe; eine Projekt, ein Geschmack, ein Geruch, eine Herausforderung, Bilder , Worte, Gefühle, Schmerzen, Erfolge, Misserfolge . Egal, worum es geht; egal, ob man etwas mag oder nicht mag. Ob man sich an manche Dinge gewöhnt oder sich an manche Dinge niemals gewöhnt. Das erste Mal ist immer etwas besonderes.
Ich habe im Showblog-Eintrag zu der allerersten Kleinkunstshow die ich je besucht habe einen Abschnitt gefunden, der das für mich besser beschreibt als alles andere. Das erste Mal Kleinkunst, das erste Mal Zauberei ohne große Leinwand, das erste Mal bei einem Zauberer auf der Bühne:
"Wenn man mich heute danach fragen würde oder gar an diesem Abend gefragt hätte, was mich am meisten begeistert hat, hätte ich mich in genau so einer wirren Beschreibung eines Momentes verloren, der für mich, besonders im Nachhinein gesehen, mehr bedeutet hat als kaum ein anderer Moment zuvor. Ich habe ähnliche Augenblicke seitdem erfreulich oft erlebt; solche, die mich gerührt und verzaubert und begeistert haben. Aber es kommt keiner an diesen [allerersten] heran, in dem sich der Künstler zu mir herunterbeugt und auf das Klappern im roten Kästchen in meiner Hand sagt "Das ist auch gut für mich!""